VI. Internationales Siegel-Symposium anläßlich des 50jährigen Jubiläums

Bericht über das VI. Internationale Marburger Siegel-Symposium

Das VI. Internationale Siegel-Symposium wurde aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des Corpus der minoischen und mykenischen Siegel in Marburg vom 9. bis 12. Oktober 2008 veranstaltet.

Ort der Tagung war der Hörsaal des Archäologischen Seminars der Universität, in dem bereits Friedrich Matz, der Gründer des CMS, Vorlesungen gehalten hatte. Die Grußworte der Mainzer Akademie übermittelte Vizepräsident Prof. Dr. Gernot Wilhelm, der auch als Chairman die Leitung der ersten Sektion übernahm. Das Symposium stand unter dem Thema „Die Bedeutung der minoischen und mykenischen Glyptik“. Walter Müller, der Organisator der Veranstaltung, hatte die 28 Teilnehmer aus 10 Nationen bei der Einladung aufgefordert, von ihm vorgegebene Themen zu den wichtigsten Aspekten der Glyptik allgemeingültig und resümierend zu behandeln. Ein besonderer Schwerpunkt der Tagung lag in der Miteinbeziehung anderer Perioden und Kulturbereiche mit der Absicht, die minoischen und mykenischen Siegel in den Zusammenhang der gesamten Glyptik einzuordnen und durch den Vergleich die Bedeutung der für den ägäischen Bereich geleisteten Arbeit des CMS hervorzuheben.

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Die Teilnehmer des Symposiums vor dem Ernst von Hülsen Haus

Im Mittelpunkt der Sektion 1 „Seal Use in other Cultures and Relations with the Aegean“ stand die Erörterung der Funktion der Siegel, die wichtige Aufschlüsse zur bislang ungelösten Frage nach den Benutzern der Siegel im ägäischen Raum lieferte. Die Spannweite der Beiträge reichte vom Neolithikum im Vorderen Orient bis zum mittelalterlichen Siegelwesen in Mitteleuropa. Methodologische Fragen der ägäischen Glyptik behandelte Sektion 2 „Method and History of Aegean Seal Research“. Wie in den vorangegangenen Symposien wurden in der Sektion 3 „Excavations, Recent Finds and Problems of Chronology“ auch aktuelle, aufsehenerregende Neufunde von ihren Ausgräbern vorgestellt, darunter auch Siegelringe aus Gold. Zugleich aber wurde deren Aussagewert in Beiträgen über die Bedeutung von Kontexten und die Problematik absoluter Datierungen in derselben Sektion kritisch hinterfragt. Sektion 4 „Script“ bestätigte die Bedeutung des epigraphischen Aspekts für die Frage nach der Funktion. In Sektion 5 „Function of Aegean Seals and Sealings“ wurde die Problematik der zur Versiegelung von Behältnissen und Dokumenten abgedrückten Siegel erörtert, nicht zuletzt unter Miteinbeziehung der in Sektion 1 gewonnenen Erkenntnisse aus anderen Kulturbereichen. Die Themen der Sektion 6 „Iconography, Style and Material of Aegean Seals“ behandelten die klassischen Aspekte der ägäischen Glyptik und den Stand der traditionell auf Technik und Stil ausgerichteten Forschung auf der Grundlage des Corpus.

Im Anschluss an die zusammenfassenden „Concluding Remarks“ von Jean Claude Poursat, der als einziger Teilnehmer allen vorangegangenen Symposien aktiv beigewohnt hatte, erläuterte Diamantis Panagiotopoulos sein Konzept für die Nutzung der CMS-Archive in Forschung und Lehre nach der Übergabe an das Zentrum für Altertumswissenschaften der Universität Heidelberg im Jahre 2012 und bekräftigte seine Bereitschaft, auch neu gefundene Siegel in Zukunft aufzunehmen. In einer von allen Teilnehmern unterzeichneten Erklärung wurde der Wunsch nach der aktiven Fortführung des CMS als zentrale Institution für die Erforschung der ersten europäischen Hochkulturen in Heidelberg zum Ausdruck gebracht.

Im Rahmen des Begleitprogramms erhielten die Teilnehmer des Symposiums die Gelegenheit, die Archive des CMS mit über 10.000 modernen Abdrücken und Abgüssen von nahezu sämtlichen bekannten Siegeln zu besichtigen. In einer Demonstration machte Walter Müller die anwesenden Kollegen mit der in ARACHNE integrierten CMS-Datenbank vertraut und bot ihnen die Gelegenheit zur Erprobung der komfortablen Browsing und Retrieval Systeme, die als Instrumentarium für zukünftige Forschungen im Internet zur Verfügung stehen werden.

Am Nachmittag des 11. Oktobers nahmen sämtliche Teilnehmer an einer Exkursion nach Mainz und zum Kloster Eberbach teil. In Mainz stand die Besichtigung des Gutenberg-Museums im Mittelpunkt, bei der die Vorführung eines Modells der ersten Druckerpresse das lebhafte Interesse der internationalen Teilnehmer fand. Nach der Führung durch das Kloster Eberbach – einschließlich einer Besichtigung der historischen Weinkeller –, fand das gemeinsame Abendessen in historischen Räumen statt, wo sich die Teilnehmer in persönlichen Gesprächen austauschen, aber auch die fachliche Diskussion in lockerer Atmosphäre weiterführen konnten.

Das VI. Siegel-Symposium wird von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert

Beiträge und Teilnehmer

Vassiliki ADRYMI-SISMANI (Volos), Seals and Jewellery from Ancient Iolko

Maria ANASTASIADOU (Marburg), Gruppen innerhalb der mittelminoischen dreiseitigen Prismen aus weichem Stein

Joan ARUZ (New York), Intercultural Styles, Animal Combats, and the Art of Exchange

Philip P. BETANCOURT (Philadelphia), The Importance of Contexts in the Dating of Aegean Artifacts

Fritz BLAKOLMER (Wien), Small is Beautiful: The Significance of Aegean Glyptic for the Study of Wall Paintings, Relief Frescoes and Minor Relief Arts

Dominique COLLON (London), Seal Owners and Sealing Practices in the Ancient Near East in the Second Millennium BC

Janice CROWLEY (Hobart), The Composition of Complex Scenes in Aegean Glyptic

Toni DIEDERICH (Bonn), Funktion, Typologie, Ikonographie und Bedeutung der Siegel im Mittelalter

Kim DUISTERMAAT (Kairo), Administration in Prehistoric Societies? The First Use of Seals in Syria and Some Considerations on Seal Owners, Seal Use and Private Property

Enrica FIANDRA (Montafia), Errori Archeologici

Ann FOSTER (Evanston), Sealing Practices in the Bronze Age Aegean and Egypt

Eric HALLAGER (Athen), The Neopalatial Sealings from Knossos, Malia and Phaistos

Suzanne HERBORDT (Leipzig), The Hittite King and His Court from the Perspective of the Sealed Bullae from Hattusa

Helen HUGHES-BROCK (Oxford), The Many Facets of Seal Research and the Contribution of the CMS

Babis G. INTZESILOGLOU (Volos), A Gold Ring and Seals from a Mycenaean Tholos Tomb at Georghikon in Western Thessaly (Greece)

Olga KRZYSZKOWSKA (London), Material Matters: Some Challenges Past, Present and Future for Aegean Glyptic

Walter MÜLLER (Marburg), Typologie und Bedeutung des Ornaments in der ägäischen Glyptik

Wolf-Dietrich NIEMEIER (Athen), Zwei neugefundene Siegel aus den bronzezeitlichen Schichten des Heiligtums von Kalapodi (Phthiotis)

Jean-Pierre OLIVIER (Brüssel) , Les sceaux et scellés inscrits en hiéroglyphique crétois, en linéaire A et en linéaire B en Crète et en Grèce continentale, en chypro-minoen et dans les syllabaires du Ier millénaire à Chypre: un bilan

Diamantis PANAGIOTOPOULOS (Heidelberg), A Systemic Approach to Mycenaean Sealing Practices

Jacke PHILLIPS (Cambridge), Glyptic Relations between the Aegean and Egypt

Ingo PINI (Marburg), Soft Stone versus Hard Stone in Aegean Glyptic: Some Observations on Style and Iconography

Jean-Claude POURSAT (Chamalières), La glyptique et les autres arts dans l’Égée prépalatiale: le contexte artistique de la production des sceaux

Kostas SBONIAS (Corfu), Diversity and Transformation: Looking for Meanings in the Prepalatial Seal Production and Use

Evaggelia TSAGKARAKI (Karditsa), Neopalatial Sealings with Representations of Human Figures: a Neopalatial Repertoire and its Significance in the Administrative System

Peter WARREN (Bristol), The Absolute Chronology of the Aegean Bronze Age – A Summary

Judith WEINGARTEN M. Litt. (Belforte), Corridors of Power: A Social Network Analysis of the Minoan 'Replica Rings’

John G. YOUNGER (Lawrence), The Attribution of Aegean Seals and their Chronology: An Assessment

Sämtliche Beiträge werden in CMS Beiheft 8 veröffentlicht.
Der Ingo Pini gewidmete Band wird im Frühjahr 2010 erscheinen.