Die Geschichte der Forschungsarbeit des CMS

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Friedrich Matz (1890-1974)

Das Corpus der Minoischen und Mykenischen Siegel (CMS) wurde von Friedrich Matz, Ordinarius für Klassische Archäologie an der Universität Marburg, 1958 ins Leben gerufen. Schon lange zuvor hatte dieser im Rahmen seiner grundlegenden Arbeit ‚Die Frühkretischen Siegel’ (1928) die Bedeutung der bis dahin nicht gebührend beachteten bronzezeitlichen Glyptikerkannt.

Matz sah in den Gemmen und Siegelringen die wichtigste Quelle der Information über die ägäischen Kulturen, deren schriftliche Hinterlassenschaften man entweder nicht lesen konnte (minoische Hieroglyphen und Linear A-Schrift) oder deren inzwischen lesbaren Dokumente (mykenische Linear B-Schrift) sich in unzureichenden, nur auf kommerzielle Transaktionen bezogenen Informationen erschöpften. Die szenischen Siegel-Darstellungen von Menschen und Tieren aus dem alltäglichen und kultischen Leben sind daher von größter Bedeutung für die Erforschung der Geschichte und Kunst der ersten europäischen Hochkulturen. Da die Siegel in viele Museen und Sammlungen Europas und Nordamerikas verstreut aufbewahrt werden, hatte Matz die Idee, das gesamte damals bekannte Material in Form eines Corpus nach einheitlichen Kriterien zu publizieren und der internationalen Forschung ein nach Ländern und Museen geordnetes Katalogwerk zur Verfügung zu stellen. Zur Verwirklichung fand Matz die Unterstützung der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, von der das CMS 1958 als Projekt der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse aufgenommen und bis heute gefördert wird. Seit Anbeginn ist das CMS in Marburg angesiedelt und durch wissenschaftlichen Austausch und Lehraufträge mit dem archäologischen Seminar der Philipps-Universität verbunden.

Für die Bearbeitung der Fundbestände in den verschiedenen Museen konnte Matz einen Kreis kompetenter Mitarbeiter gewinnen und im ersten, 1964 erschienenen Band einen nach Museen geordneten Editionsplan vorlegen, dessen Grundkonzept noch heute gültig ist. Eine besondere Bedeutung kommt dem Archäologischen Museum von Iraklion zu, dessen überaus reiche Bestände eine Unterteilung in 10 Teilbände erforderte, deren Bearbeitung inzwischen abgeschlossen ist. Die Zahl der zu Beginn des Projektes fünf Bearbeiter ist auf weit über 100 Archäologen aus 14 Nationen angestiegen, die an der Publikation von inzwischen 29 Teilbänden mitgewirkt haben.

Aus der Erkenntnis, dass die aus neuen Ausgrabungen ständig hinzukommenden Siegel für die ägäische Forschung, insbesondere für die Chronologie, von größter Wichtigkeit sind, wurde die von Ingo Pini, dem Nachfolger von Friedrich Matz, bearbeitete Abteilung ‚Kleinere griechische Sammlungen’ (CMS V) um die Publikation aktueller Neufunde erweitert. Drei aus fünf Teillieferungen bestehende Supplementbände wurden zusätzlich publiziert. Zur Aufnahme der aktuellen Neufunde waren größere, meist mehrmonatige Reisen zu den regionalen Museen ganz Griechenlands erforderlich, welche die Mitarbeiter des CMS in den Jahren 1969 bis 1999 alljährlich im Winter unternahmen.

Auch die Bearbeitung der antiken Siegelabdrücke in Ton gewann an Bedeutung und Umfang, da die Untersuchung der antiken Versiegelungen zunehmend in das Interesse der Siegelforschung rückte. Diese verlangte nicht nur die Rekonstruktion der Siegelbilder aus fragmentarischen Plomben, sondern erwartete auch Aufschlüsse über die Funktion der antiken Versiegelungen im privaten, komerziellen und administrativen Bereich. Insbesondere die Aufnahme der Siegelabdrücke aus den Beständen des Archäologischen Museums von Iraklion (CMS II,5–8) stellte hohe Anforderungen sowohl an die photographische Aufnahmetechnik als auch an die Abgußverfahren, mit deren Hilfe über 4000 teilweise nur wenige Millimeter kleine Fragmente dokumentiert wurden.

Die hauptamtlichen Mitarbeiter der Marburger Forschungsstelle betreiben in Ergänzung zur redaktionellen Arbeit begleitende Forschungen zu Stil, Chronologie und Technik. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden in den Einleitungen zu den Editionen veröffentlicht und zeigen die Kompetenz bei der Bearbeitung des zu editierenden Materials. Ein Schwerpunkt der Forschungstätigkeit des CMS der vergangenen Jahre lag in der Untersuchung der Legierungen und Herstellungstechniken der metallenen Siegel und Siegelringe mit Hilfe moderner zerstörungsfreier Prüfverfahren.

Seit 1981 werden die Editionen des Corpus der Minoischen und Mykenischen Siegel um die Reihe der CMS-Beihefte erweitert, welche die Forschungen des CMS und seiner Mitarbeiter und den Dialog mit internationalen Fachkollegen repräsentiert. Im Abstand von jeweils 7 Jahren wurden fünf internationale Siegel-Symposien veranstaltet, deren Ergebnisse in den Beiheften veröffentlicht wurden. Das 6. Symposium wird anläßlich des 50jährigen Bestehens des CMS im Oktober 2008 in Marburg veranstaltet.